Eins vorneweg: Ich bin kein Fan von Tik Tok. Dies jedoch vor allem deshalb, weil meine Erstgeborene sich für meinen Geschmack einen Tick zu sehr mit Tik Tok beschäftigt. Ich selbst hätte diese App als Teenager geliebt. Aber ich bin rückwirkend irgendwie froh, gab es die damals noch nicht, da ich so noch genug Zeit hatte, um durch Wälder zu stapfen, Bäche zu stauen und im Dreck zu wühlen. Was ich natürlich niemals getan habe als Teenager. Aber es klang gerade nett.
Tik Tok ist noch immer DAS Ding der Generation Z. Facebook ist da ja schon lange tot, da tummeln sich nur noch steinalte Menschen ab 35ig, die aus Sicht der Z-Linge mit einem Bein schon im Grab stehen. Ich glaube Facebook ist nicht mal mehr auf dem Radar meiner Tochter. Absolut prähistorisch. Das ist so dermassen irrelevant, dass sie wohl lieber wandern gehen würde, als sich durch einen spinnwebenbehangenen Facebook-Feed zu scrollen. Instagram ist da schon näher dran. Aber noch lange nicht so nah wie Tik Tok. Und hier scheiden sich unsere Geister.
Ich kann das – als steinalte Frau aus der Facebook-Generation (und genaugenommen bin ich ja nicht mal mehr das) – nicht nachvollziehen. Da tummelt sich so viel Schrott, dass sich meine Augenhornhaut kräuselt. Mit jeder zur Gemüte geführten Sekunde habe ich das Gefühl mein Gehirn sei ein klein wenig geschrumpft.
«Make every second count», so einer der Slogans. “Ja genau”, denke ich.
Mir ist das alles zu wild und zu chaotisch und zu schnell. Und richtig schmerzhaft sind die übersteuerten Songausschnitte. DAS TUT MIR IM HERZEN WEH! Und in den Ohren sowieso. Und die Videos haben stets diese abgehackten Enden.
Fairerweise muss ich aber einwerfen, dass es auf dieser App der Selbstdarsteller auch ein paar Perlen gibt. Gut gemachte Videos. Wohl überlegt. Durchdacht. Geschickt mit einer immensen Bibliothek aus Filtern, Effekten, Musik und Video-Bearbeitungswerkzeug erstellt. Manchmal schaue ich fasziniert zu, wie die Tochter innert kürzester Zeit ein Video bearbeitet. Jeder Handgriff sitzt. Sie selbst präsentiert sich selbst nicht auf der App, hat aber Freude daran Videos zu schneiden und sich kreativ auszutoben und zu experimentieren. Die Fertigkeiten die die Jugendlichen hier entwickeln, dürfen schon auch nicht ausser Acht gelassen werden.
Meine Tochter ist 13 und folgt rund 180 Accounts, einige davon sind jedoch eher inaktiv, sie surfen passiv, konsumieren, lassen sich unterhalten. Einige wiederum sind Freunde, da ist das gegenseitige Folgen und Herzchen verteilen Ehrensache. 10 offizielle und grössere Accounts bezeichnet sie als wirklich gut. Und mit gut meint sie, dass sie entweder unterhalten, witzig sind oder informieren. Denn auch News machen auf Tik Tok die Runde.
Die Hauptpfeiler von Tik Tok sind Tanzen, Comedy und Musik. Viele Songs werden heute erst dank Tik Tok zu Hits, somit ist diese Plattform auch für Künstler hochinteressant. So übernahm die App nebenbei auch den Job der Hitparade.
Da Tik Tok vor allem bei einer jüngeren Zielgruppe Thema ist, darf vor allem bei den Eltern natürlich der Sicherheitsaspekt nicht ausser Acht gelassen werden. Damit meine ich nicht, dass die App plötzlich explodiert, sondern dass die fragile Generation Z (vor allem die jüngeren Exemplare) bei einer solchen App, beflügelt von den immensen kreativen Möglichkeiten, sehr viel von sich preisgibt. Abgesehen davon, dass jeder Inhalt ja irgendwo auf einem chinesischen Server abgespeichert wird, lockt sie auch Beleidigungen und Hasskommentare an. Digital Mobbing. Auch können die Heranwachsenden die Aufmerksamkeit von Menschen mit bösen Absichten auf sich ziehen.
Wichtig ist daher, dass wir Eltern den Tik Tok-Account im Auge behalten, dass wir mit den Kindern über die Inhalte sprechen, darüber was man zeigen darf und was nicht. Der Account sollte auf «privat» gestellt werden, so dass erstmal auch nur Freunde einen kontaktieren oder die Inhalte kommentieren können. Ausser jemand strebt die grosse Tik Tok-Karriere an. Und da gibt es auch in der Schweiz einige Unter-Zwanzigjähre, die bereits Millionen Follower haben.
Die Mission von Tik Tok ist es, «das Leben von Menschen zu bereichern, zu inspirieren, indem ein Zuhause für die Kreativität der Nutzer/innen und eine authentische, freudvolle und positive Erfahrung geboten wird.»
Das ist ein schönes Ziel. Und soll gerne auch gefördert werden. Doch wie überall gilt eben auch hier: Erst ganz fest überlegen, dann posten. Qualität vor Quantität. Hier gibt es noch viel Luft nach oben.